Richard Grannon

»Mitgefühl von jemanden zu erwarten, der keines hat, ist naiv ! Das ist maligner Optimismus!« 

Richard, warum fällt es so vielen Menschen schwer, Stopp zu sagen?
Weil sie es nie gelernt haben. Weil sie People Pleaser sind. Das People Pleaser Syndrome ist in keinem Manual als Störung aufgeführt, aber in der Praxis kann man bei Menschen, die missbräuchliche Beziehungen eingehen, häufig bestimmte Denk- und Verhaltensweisen feststellen, die man anschaulich als People Pleaser Syndrom zusammenfassen kann. Diese Menschen haben eine extreme Angst in anderen negative Gefühle auszulösen, ein übergroßes Bedürfnis gemocht zu werden. Sie sind extrem nach außen orientiert und richten sich nach den Regeln und Bedürfnissen anderer aus. Sie haben kein klares Gefühl für ihre eigenen Grenzen, nehmen ihre Umwelt und die Bedürfnisse anderer in sich auf, fühlen sich verantwortlich für das Wohlbefinden anderer. Ich erlebe immer wieder Klienten, die ein wirklich neurotisches Bedürfnis haben, der “good boy” oder das “good girl” zu sein. Und dazu gehört eben, niemanden zu verurteilen, niemals unfreundlich und immer nett zu sein. 

Aber das ein ungesundes Verharren in kindlicher Naivität - und ein weit geöffnetes Einfallstor für ausbeuterische Menschen. Typische Sätze sind dann später: “Ich kann gar nicht glauben, wie gemein sich Person XY verhalten hat.” Um die eigenen Grenzen zu verteidigen, braucht man ein gewisses Maß an Aggression: “Hier ist Schluss. So will ich nicht behandelt werden.” Ebenso die Einsicht: Es gibt Menschen, die sich gemein und böse verhalten. Stattdessen finden die Betroffenen wieder und wieder einen Weg, Verhalten schön zu reden und Beziehungen fortzusetzen: “Er /sie wird mich nicht wieder betrügen, bestehlen, belügen oder beschimpfen. Ab jetzt ist alles anders.”. Das ist maligner Optimismus! Mitgefühl von jemanden zu erwarten, der keines hat, ist naiv. 

Das ganze Interview mit Richard Grannon finden Sie in unserem Buch :